Tour 10.05.2020 Mengsberg - Momberg

Wer hätte das gedacht



Wüstung Enzenrode (Nesselrode)


Der untergegangene Ort Enzenrode lag südöstlich von Mengsberg, dicht an der Mengsberg-Momberger Gemarkungsgrenze vor dem Momberger Wald. Noch heute zeigen uns die Flurbezeichnung „im Entzeroth" und dortige Scherbenfunde aus dem 13. und 14. Jahrhundert die Lage des wüsten Ortes. In neueren Flurkarten wird diese Flur mit „Wüstung Nesselrode" bezeichnet. Eine Erklärung hierfür konnte bislang nicht gefunden werden.

Bei der Wüstung Enzenrode handelt es sich bisher nachweislich um das älteste Siedlungsgebiet in der Gemarkung Mengsberg. Dies belegen Funde aus frühgeschichtlicher Zeit. 1845 wurde nahe bei der Wüstung Enzenrode von dem damaligen Mengsberger Pfarrer Fröhlich ein Grabhügel ausgegraben, dabei traten zahlreiche Funde zutage. Desweiteren wurde vermutlich auch ein Tongefäß, der sogennante „Knickwandtopf von Mengsberg", auf dem Gebiet der Wüstung Enzenrode gefunden. Es handelt sich dabei um ein merowingerzeitliches Gefäß aus dem 6. bis 7. Jahrhundert. Näheres über die Ausgrabung und den Knickwandtopf siehe Kapitel „Früheste Zeugnisse der Besiedlung der Gemarkung Mengsberg".

Das Gebiet des ehemaligen Dorfes Enzenrode erstreckte sich vermutlich über die heutige Mengsberger Gemarkungsgrenze hinaus. So dürfte auch ein Teil des Momberger Feldes und des Momberger Waldes zu Enzenrode gehört haben. Dafür sprechen auch die Grenzstreitigkeiten bei dieser Wüstung zwischen Mengsberg und Momberg im 16. und 17. Jahrhundert.

Im 16. Jahrhundert kam es zwischen Mengsberg und Momberg wegen des fraglichen Waldes zum Streit [27]. Die Mengsberger beanspruchten damals einen Teil des Waldes „das Vorholz" als ihr Eigentum. Die Momberger führten den Beweis, daß der streitige Bezirk, wie der ganze Wald, zu Momberg gehörte. Heute befindet sich die Flur „das Vorholz" in der Mengsberger Gemarkung.

Ebenfalls im 16. Jahrhundert kam es zwischen Mengsberg und Momberg zu einem heftigen Streit um die Kalkgruben bei der Wüstung Enzenrode [24], der sich fortan mehr als hundert Jahre lang hinzog. Aus dem Jahre 1659 liegt darüber folgender Bericht mainzischer Seite vor:

„Bei Momberg, ist ein Wald und eine Kalkgrube, davon von unendlichen Jahren viel Streits, auch unterschiedliche Schlägereien und Verbitterung entstanden, also auch das die schöne Kalkgrube ein lange Zeit liegen blieben und von keinem Teil gebraucht werden konnte. Die Sache ist vor 60 und mehr, Jahren an das kaiserliche Kammer-Gericht geraten, da sie noch ruht und allem Anschein nach nicht getrieben wird. ... "

Diese Grenzstreitigkeiten wurden nach Diefenbach [8] seit dem 16. Jahrhundert mehrfach beigelegt, letztlich erst durch die Grenzkonferenz des Jahres 1756. Noch heute weist die Flur „die Streitecke" auf diese Rechtsstreitigkeiten hin.

Eine Momberger Sage, die jedoch nichts weiter als ein Märchen ist, erzählt über den heutigen Momberger Wald [27]:

„Einst habe bei den Kalksteinbrüchen zu Enzerode ein Schloß gestanden, daselbst habe ein Herr von Schenk gewohnt und seine Gemahlin sei die Frau gewesen, deren Portrait in der Momberger Kirche hängt. Er sei lutherisch, sie katholisch gewesen. Da sie keine Kinder gehabt hätten, so habe er seinen Glaubensgenossen in Mengsberg das zum Schloßgute gehörige Feld und sie ihren katholischen Glaubensgenossen in Momberg den Wald vermacht. "

Ob Enzenrode eine Kirche besaß, konnte bislang nicht ermittelt werden. Auch über die Bewohner ist kaum etwas zu erfahren. Um 1360 wird erstmals ein Lehnsmann „Rulo von Enzenrode" erwähnt, ob es sich bei diesem um einen Ortsadligen handelt, ist jedoch fraglich. Nach Malkmus [27] weisen Anfang des 20. Jahrhunderts quadratische Anrainungen auf eine Burg hin. Auch Reimer [31] und Reuling [32] führen ein Schloß zu Etzenrade an. Diese Burg bzw. dieses Schloß dürfte jedoch eher bei der Wüstung Etzgerode in der Nähe des Etzgeröder Hofes bei Speckswinkel zu suchen sein. Dies wird auch durch Reuling [32] bestätigt, nachdem Etzgerode Burgsitz war.

Durch Urkunden ist folgendes von Enzenrode bekannt:

Eine gesicherte Zuordnung der Urkunden zum Ort Enzenrode in der Gemarkung Mengsberg ist schwierig, da sich in der Nähe des Etzgeröder Hofes bei Speckswinkel ein Ort namens Etzgerode befand, dessen Schreibweisen sich im Mittelalter nicht von der von Enzenrode unterschied. Nach Reuling [32] scheint der Name des Ortes Enzenrode in der Gemarkung Mengsberg nach dessen Untergang auf den Burgsitz Etzgerode in der Gemarkung Speckswinkel übergegangen zu sein.

Bereits nach 1015 wird in einer Urkunde ein „Acenrode" erwähnt, ob es sich dabei um Enzenrode handelt, ist jedoch fraglich. Die erste gesicherte urkundliche Erwähnung von Enzenrode geht auf das ,Jahr um 1248 zurück. In der Mitte des 13. Jahrhunderts und 1324 gehört Enzenrode zu den Dörfern, die nach Amöneburg zehnten. Der Zehnten zu Enzenrode ist zu jener Zeit also im Besitz des Erzstifts Mainz. Wollen wir einer Angabe des Ziegenhafner Urbars von 1360 / 67 Glauben schenken, so erwirbt das Erzstift Mainz Enzenrode zusammen mit anderen Orten erst im 14. Jahrhundert tauschweise von den Grafen von Ziegenhain. Nach Klibansky [24] wird Enzenrode zusammen mit anderen Dörfern mit dem Gebiet des 1294 neu erworbenen Amtes Neustadt vereinigt.

In einer Rechnung um 1360 über mainzische Fruchteinkünfte in Richerode (Ruchelrode) und Enzenrode sind folgende Lehnsträger genannt: Gunther von Ottenrode, Rulo von Enzenrode, Hedes von Zettrichhausen (Zydrichhusen), der Müller von Weidelbach (Walbach), Dylonis von Linsingen, Conrad von Richerode (Ruchelrode), Wydiche, Groß (Groze) und Krug. Wer von diesen vorgenannten Personen ein Lehnsmann in Enzenrode war, läßt sich jedoch nicht mit letzter Sicherheit sagen.


Zeittafel der Wüstung Enzenrode


nach 1015 „Acenrode" in Urkunde erwähnt [31, 32] (Wohl kaum auf Enzenrode zu beziehen)

um 1248 Der Erzbischof von Mainz hat den Zehnten zu „Enzenrode" [35]

um 1248 Die Grafen von Ziegenhain haben den Zehnten zu „Enzenrode" angeblich zu Unrecht vom Erzstift Mainz zu Pfand [321

nach 1294 „Etzenrode" wird mit dem Gebiet des Amtes Neustadt vereinigt [24] 1309 „Enzenrade" in einer Urkunde des Klosters Haina erwähnt [11] 1324 Mainz besitzt den Zehnten zu „Enzenrode" [35] 1353 Der Zehnte zu „Entzenrode" gehört den v. Linsingen [31, 32]

1359 Erzbischof Gerlach von Mainz verpfändet die Wüstung „Eczenerode", die früher ein Dorf gewesen sei, mit Gericht, Zehnten, Gülten und allem Zubehör an Ludwig von Momberg [31, 32]

um 1360 Rechnung über mainzische Fruchteinkünfte in „Ruchelrode" und „Enzenrode" [Staatsarchiv Würzburg: Mainzer Urkunde, weltl. Schrank 65/6E]

14. Jh. Erzstift Mainz erwirbt „Etzinrode" zusammen mit anderen Orten tauschweise von den Grafen von Ziegenhain [A 1]

1434 Adolf u Hirzenhain trägt sein Schloß „Etzenrade" dem Landgrafen zu Lehen auf; 1572 war das Schloß wüst (Gemarkung Speckswinkel) [31, 321

1491 Die Nodung von Wehrda verkauft ihre Güter zu „Enzenrode" an die v. Dörnberg [31, 32]

15. Jh. „Mengsberg prope Entzenrade" in dem Archidiakonatsregister unter der Sedes Treysa und desgleichen „Entzenrade" unter der Sedes Neustadt er­wähnt [44]

1510 Bürgermeisterregister von Neustadt hat den Posten: „einen Wagen Kalks geholt zu En